Chronik
Wie es war...
Eine kleine Chronik der Georg-von-Giesche-Schule
1. April 1953 |
Gründung der 4. OTZ (Oberschule Technischen Zweiges) in der Elßholzstraße (im Gebäude der heutigen Sophie-Scholl-Schule) mit einer Filiale in der Pallasstraße; |
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1. April 1957 |
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(2. von links, mit Herrn Seifert links und
Herrn Vangerow rechts)
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Durch einen Schülerstreik wird die Aufteilung der Schule auf mehrere Standorte verhindert. Die Finow-Schule bekommt vorübergehend Räume in der dritten Etage. |
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Marcel Reich-Ranicki, Literaturkritiker und ehemaliger Schüler des Werner-Siemens-Realgymnasiums, besucht sein altes Schulgebäude. Grund ist die Arbeit an seiner Autobiographie ,,Mein Leben".
(Quelle: FAZ)
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August 2014 |
Frau Dudek wird ab 1. August 2014 neue Schulleiterin. Herr Scholkmann tritt nach 25-jähriger Tätigkeit als Schulleiter in den Ruhestand.
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Juli 2015 |
Fünf Kolleginnen und Kollegen treten in den Ruhestand. |
Bayerisches Viertel
Wechselvolle Geschichte in Bildern
Das Bayerische Viertel in Schöneberg
Bau der U-Bahnlinie 4 (Einweihung 1910) | Der Bayerische Platz (1910) |
Gegenüber der Schule (1920) | Der Bayerische Platz (1935) |
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Haus in der Münchener Straße (1945) | Der Bayerische Platz (1946) |
Berchtesgadener Straße (1951) | Hohenstaufenstraße (1958) |
Quellen: W. Bühler (großes Foto), Museum Schöneberg
http://de.wikipedia.org/wiki/Bayerisches_Viertel
http://de.wikipedia.org/wiki/Bayerischer_Platz
Die verschwundene Schule
Das Werner-Siemens-Realgymnasium (1903-1935)
- Die "verschwundene Schule" -
Am 16.04.1903 begann mit 23 Sextanern (5. Klasse) und 22 Vorschülern der Unterricht. Im Jahre 1909 wurde von dem Leiter der Schule, Wilhelm Wetekamp, die Schülerselbstverwaltung „Beteiligung der Schüler an der Gestaltung des Schullebens“ am WSRG als erster Schule Preußens eingeführt. Er trat als überzeugter Demokrat und Reformer auf, tätig sowohl in der „Wandervogelbewegung“ als auch 1906 bis 1919 als Stadtverordneter in Schöneberg. Seine pädagogischen Grundsätze hat die „Vereinigung der ehemaligen Schüler und Lehrer des WSRG“ im Jahr 1967 nochmals zusammengestellt. Grundsätze:
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Im Jahr 1993 führte eine 10. Klasse unserer Schule ein Geschichtsprojekt mit dem Schöneberg-Museum über die Geschichte unseres Schulgebäudes durch. Die Schülerinnen und Schüler führten auch Gespräche mit ehemaligen Schülern und erfuhren viel über die damalige Zeit und die Regeln an der Schule. Aus unseren Interviews mit ehemaligen Schülern wissen wir, dass das WSRG als fortschrittlich galt. Es wurde in der Regel von gutsituierten Schülern und zu 50% von jüdischen Schülern besucht. In der Zeit von 1919 bis 1931 hatte die Schule neun Gymnasialklassen (ca. 40 Schüler pro Klasse) und drei Vorschulklassen. Von 1914 an führte man jährlich regelmäßig ein Schulfest, z.B. in Schildhorn, als Mittel zur Bildung eines Gemeinschaftsgefühles der Schüler aller Klassen durch.Auch die Eltern waren zu dieser Veranstaltung eingeladen. Vom Bahnhof Zoo ging es mit dem Vorortzug nach Pichelsdorf und weiter zu Fuß nach Schildhorn. Auf den Wiesen vor den Restaurants fanden vormittags sportliche Wettbewerbe, z.B. Sackhüpfen, statt. Die Hauptsache war aber nachmittags eine Theateraufführung mit Schulorchesterbegleitung in einer Waldschneise.
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Der andere „theatralische Höhepunkt“ fand im Winter in der Schule mit erweitertem Schulorchester und Einsatz von Scheinwerfern statt. Mit der Aufführung im Jahr 1928: „Der Sturm“ von Shakespeare wurde das WSRG sogar in der damaligen Presse lobend erwähnt. 1928 sorgte die damalige SV aber auch für einigen Wirbel. In einem Aufruf an die Klassenältesten der Unterprima, die sich der „Verein der Unentwegten“ nannten, forderten sie die freie Liebe zwischen den Geschlechtern und die Möglichkeit zum freien Bekenntnis der gleichgeschlechtlichen Liebe für Schüler vom 16. Lebensjahr ab. Durch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit an Hand von Unterschriftensammlungen befasste sich sogar der Preußische Landtag mit dem WSRG, und der Verein musste schließlich aufgelöst werden. So blieb erstmal unauffälligeres Auftreten im Vordergrund, z. B. Tauschen von Zigarettenbildern (Automodellen) und Murmeln, Austausch von Reparaturinformationen für die grundsätzlich gebraucht erstandenen Fahrräder und das regelmäßige Unterstützen einer Friedrichshainer Volksschule durch ein 2. Schulbrot (ca. 150 Brote täglich, insbesondere in Notzeiten).
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Die Hausarbeiten versuchte man in der Freizeit so schnell wie möglich zu erledigen. Kommt Ihnen sicher bekannt vor? Das Fach Geschichte beschränkte sich auf das Auswendiglernen der Jahreszahlen von Karl d. Großen aufwärts. Das schulische Leben begann - genau wie heute - um 8.00 Uhr, aber wehe dem Schüler, der sich bereits 10 Minuten vorher blicken ließ: Auch wenn es regnete, schneite oder frostig kalt war, wurde er nicht eingelassen. Das WSRG verfügte über einen Schulgarten, und der „Diener“ (heute: Schulhausmeister) hielt Hühner und Kaninchen, die von den Schülern in den Pausen mit Brot aufgepäppelt wurden. Das Verhältnis der Schüler untereinander wurde von unseren Ehemaligen einstimmig als gut bewertet und auf die Frage, ob es jüdische Lehrer gegeben hätte, antworteten die Herren, dass sie daran keine Erinnerung hätten, weil das an dieser Schule keine Rolle gespielt hätte. Als Hitler 1933 an die Macht kam und die SA am 1.April im Bayerischen Viertel erstmals jüdische Geschäfte blockierte, d.h. sie ließ niemanden in die Läden, „hätten auch die Schüler nur gelächelt" und gesagt: „Der Tag geht auch vorüber.“ Sie stellten aber insbesondere ab 1934 große Veränderungen in ihrem Viertel und auch an ihrer Schule fest. Private Konflikte zwischen jüdischen und nichtjüdischen Schülern hätte es zwar kaum gegeben, aber auf Grund der immer stärker werdenden Hetze gegen sie - von Seiten der Nationalsozialisten - wurde die Frage nach Auswanderungen in den Familien zunehmend diskutiert. |
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Die qualifizierten Lehrer verließen 1933/34 das WSRG, die Schülerschaft verlor ihren Zusammenhalt, der damalige Rektor Lemme ging in den Ruhestand, und bereits 1934 wurde aufgrund des herbeigeführten Schülermangels die Oberstufe geschlossen. Ohne weitere Begründung schloss sich im Mai 1935 die Auflösung des WSRG an, die als Berufsschule für Mädchen weitergeführt wurde. Anbei finden Sie die lapidare Ankündigung der Auflösung vom 4.5.1935 in der Schöneberger-Friedenauer -Zeitung, Nr. 18. |
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Seit 1994 erinnert eine Gedenktafel über dem Seiteneingang unserer Schule an der Hohenstaufenstraße an die „verschwundene“ Schule und das Schicksal vieler ihrer vergessenen Schüler.
Sabine Baruschke |
Wikipedia-Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Werner-Siemens-Realgymnasium |
Georg von Giesche
Georg von Giesche (1653-1716)
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Wappen Georg von Giesches |
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Anlässlich der Namensgebung unserer Schule 1956 übergab das Schulamt uns die Kopie eines Werkes des Malers Hans Holbein, des Jüngeren. Wegen der Entstehungszeit des Gemäldes handelt es sich aber nicht um unseren Namenspatron. |
Holbein: Georg Gisze (1532) |
Wer war nun dieser Georg von Giesche? Georg Giesche wurde 1653 in der Nähe von Breslau (in Schlesien; heute polnisch) als Sohn eines kaiserlichen Soldaten geboren. Durch die große Mitgift seiner jungen Frau, der Kaufmannstochter Anna Maria, war er in der Lage, sein Tuchgeschäft auszubauen, so dass er bald zu den reichsten Breslauer Kaufleuten gehörte. Neben dem Tuchhandel betrieb Giesche noch Geldgeschäfte und - nachweisbar seit 1702 - den Handel mit Galmei (Zinkerz). |
Wohn- und Geschäftshaus der |
Dieser Geschäftszweig wurde schnell zu Georg Giesches Haupttätigkeit, so dass er nach erheblichen Investitionen im Jahre 1704 von Kaiser Leopold I ein Privileg erwarb, das ihm das alleinige Recht „des Bergbaus auf Galmei und des Handels damit für ganz Schlesien“ sicherte. 1712 wurde Georg Giesche „wegen Errichtung von Landesfabriken und Manufakturen“ vom Kaiser in den erblichen Ritterstand erhoben (daher das „von" im Namen). |
Erneuerung des kaiserlichen Bergbau-Privilegs mit Unterschrift und großem Siegel Karls VI (1723)
(Textfassung: Auf das Bild klicken oder hier)
Georg von Giesches's Erben
Die Geschäfte wurden zunächst von seiner Frau, dann von seinem Sohn Friedrich Wilhelm weitergeführt. Nach dem Tode des kinderlosen Sohnes fiel das Erbe 1754 an die drei verheirateten Töchter.
Anteilsschein (ein Vorläufer der Aktie)
Giesche-Kohlegrube in Oberschlesien (um 1910) |
Ab 1907 ließ das Unternehmen für seine Bergarbeiter und Angestellten nach Entwürfen des Architekturbüros Zillmann aus Berlin die noch heute erhaltene Gartenstadt Gieschewald (Giszowiec) errichten sowie ab 1908 wenige Kilometer weiter nördlich die Siedlung NIkischschacht (Nikiszowiec).
Bergmannssiedlung Gieschewald Zur Lösung der Transportprobleme verband das Giesche-Unternehmen Grubenschächte, Hüttenwerke und Siedlungen mit einem Schmalspurbahnnetz. Die Fahrt mit den umgangssprachlich "Balkan-Express" genannten Zügen war kostenlos.
"Balkanexpress" |
Als Folge des Ersten Weltkriegs wurde mit der Unabhängigkeit der Republik Polen 1919 auch das Gebiet um Kattowitz mit den Giesche-Gruben 1922 polnisch. Die deutschen Besitzer verkauften ihr Unternehmen an die US-Holding SACO. Nach dem Einmarsch in Polen 1939 stuften die Nationalsozialisten den Giesche-Konzern als kriegswichtig ein und stellten ihn unter deutsche Kontrolle. Die kommunistische Regierung Polens verstaatlichte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Unternehmen. Das Auftauchen von alten Anteilsscheinen (Aktien) hat aber nach der Wende 1989 zu einem bis heute ungeklärten Streit um die Eigentumsverhältnisse in und um Katowice geführt. |
Arbeit in der Giesche-Hütte der SACO Quellen:
Weitere Links: |
Mit der Verlagerung des Firmensitzes nach Hamburg wurde nach 1945 in der Aluminiumverarbeitung und mit Bau- und Brennstoffen ein Neuanfang gemacht.
Das Unternehmen unterhielt Werke und Handelsniederlassungen in Norddeutschland und Berlin, aber ohne die Bedeutung und Größe früherer Jahrhunderte. |
Danksagung:
Die Suche nach einem Bild Giesches über das Internet schien schon aussichtslos, da wurden wir über ebendieses Medium doch belohnt.
Wir bedanken uns sehr herzlich für die kleinen geschichtlichen Anmerkungen und die Kopie des Giesche-Portraits bei Frau von Capitaine und Herrn Dr. Sidow.
Bedanken möchte ich mich auch beim Verein "Razem dla Nikiszowca" (Zusammen für Nikiszowiec) für das umfangreiche Material über die Arbeitersiedlungen Gieschewald und Nikischschacht und Herrn H.-J. Anthon, der mir die Bescheinigung seines Kurzzeitjobs in jungen Jahren bei Giesche's Erben in Berlin überließ.
U. Dinges